„Man darf sich als Führungskraft für nichts zu schade sein und muss dorthin gehen, wo der Schmerz ist – der ist tendenziell dort, wo der Kunde ist“

Christoph Kraller

Christoph Kraller, ein echter Ur-Bayer und Geschäftsleiter der DB RegioNetz Verkehrs GmbH Südostbayernbahn, einer regionalen Tochter der Deutschen Bahn AG. Mit sehr viel Herzblut,  Hingabe und Leidenschaft schafft es Christoph Kraller als Unternehmer im Konzern, Freiräume vielfältig und gleichzeitig sehr erfolgreich für die Südostbayernbahn zu nutzen. Sein Credo ist vom Ergebnis her zu denken. Dabei geht er viele innovative und kreative Extra-Meilen, um bei der Verbesserung der eigenen Dienstleistungen den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen.

Was lieben Sie an ihrem Job?

Ich bin mit sehr großer Leidenschaft Führungskraft. Trotz der damit verbundenen Höhen und Tiefen erfüllt es mich am meisten, Menschen zu entwickeln und dann mitzuerleben und zu sehen wie sie wachsen.

Und ich bin mit sehr großer Leidenschaft Unternehmer im Konzern. Ich bin 1990 zur damaligen Bundesbahn gekommen und habe vor 16 Jahren die Südostbayernbahn mitgegründet. Ich habe also die besondere Entwicklung von einer Behörde in ein Unternehmen miterlebt, das einem permanenten Wettbewerb ausgesetzt ist und in dem es auch um existentielle Fragen geht. Vieles, was ich in diesem Zusammenhang erlebt habe, hätte ich in ich in meinem früheren Leben niemals für möglich gehalten. Ich finde es wunderbar, dass es für mich auch in so einem großen, durchaus hierarchisch geprägten und sehr stark in sicherheitsrelevanten Themen denkenden Unternehmen möglich ist, meine eigenen Ideen zu verwirklichen und Unternehmer zu sein.

Was ist der beste Rat zum Thema Führung, den Sie je bekamen?

Für mich war kein bestimmter Rat besonders wichtig sondern die Chance, viele Möglichkeiten zu bekommen!

Ich hatte in meiner Laufbahn fast ausschließlich Förderer und habe jede Chance, die ich sah, auch genutzt um das Geschäft und oder mich zu entwickeln. Selbst ein schrecklicher Vorgesetzter hat sich im Nachhinein als eine gute Erfahrung erwiesen, da ich aus seinem Verhalten sehr viel lernen konnte, nämlich, was ich alles anders machen möchte.

Ich bin systemischer Business-Coach. Diese Fortbildung hat, ohne pathetisch werden zu wollen, mein Leben verändert. Ursprünglich bin ich ein (wie der Bayer sagt) „Gschafdler“, also jemand, der überall mitreden möchte und der glaubt, dass sämtliche eigenen Ideen brilliant sind und umgesetzt werden sollten. Ich habe mühsam gelernt, dass dies für eine Führungskraft häufig nur die zweitbeste Variante ist. Wenn Mitarbeiter durch die richtigen Fragen ihrer Führungskraft selbst auf die Lösung kommen, hat es eine ganz andere Wirkung. Eine gute Führungskraft sollte also bereit sein das Risiko einzugehen Fragen zu stellen. Das ist in keinster Weise einfach sondern große Kunst – aber das Ergebnis ist um ein Vielfaches besser!

Was macht für Sie gute Führung aus?

Ich bin ein absoluter Vorbild-Fan: Man darf sich als Führungskraft für nichts zu schade sein und muss dorthin gehen, wo der Schmerz ist – der ist tendenziell dort, wo der Kunde ist.

Ein Beispiel: Es gab eine sehr schwierige Phase, in denen unsere Qualität unterirdisch war und in der meine Mitarbeiter mit unmittelbarem Kundenkontakt genervt aufgeben wollten. Hier konnte ich als Führungskraft sehr viel bewirken, in dem ich vor Ort war und die gleichen Aufgaben mit den gleichen Mitteln ausführte wie meine Mitarbeiter. Wobei ich zugeben muss, dass ich aufgund meiner Rolle bei den Fahrgästen einen Bonus hatte und sie mit mir anders umgegangen sind als mit einem Zugbegleiter. Der konstruktive Dialog mit der Kundschaft hatte zwei Effekte: Zum einen fühlten sich die Fahrgäste wertgeschätzt und konnten Vorschläge machen. Zum anderen sah meine Mannschaft, dass sich ihr Chef nicht vor dem direkten Kundenkontakt drückt sondern dieser Aufgabe wirklich eine große Bedeutung beimisst. Das war Wertschätzung für ihre eigene Arbeit.

Ich unterscheide nicht zwischen internen und externen Kunden. Jede Aufgabe, die man erledigt, hat irgendwo einen Kunden und um den muss man sich kümmern! Daher frage ich meine Mitarbeiter immer „Wer sind Deine Kunden? Wie beeinflusst dich das in deiner Arbeit? Welche Wirkung hat das Ergebnis Deiner Arbeit? Was treibt dich an, um die Menschen, für die du deine Arbeit machst, zufriedenzustellen?“ Wenn man seine Arbeit so kundenorientiert betrachtet, findet man auch eine Antwort auf die Frage nach dem Sinn.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der überlegt Führungsverantwortung zu übernehmen?

Sei vertrauenswürdig und verlässlich! Wenn Du etwas versprichst, halte es ein oder begründe es, wenn es nicht möglich ist. Sei mutig und trau Dir etwas zu! Habe nicht nur Deine Karriere im Kopf und schiele auch nicht immer in die Zentrale sondern habe auch eine eigene Meinung und vertrete sie. Finde eine gute Balance aus Zurückhaltung und Vorausgehen, so dass sich Deine Mitarbeiter durch Dein Vorbild und durch ihre eigenen Erfahrungen entwickeln können. Manchmal muss man den Weg freimachen oder die Mitarbeiter unterstützen oder ihnen zu zeigen, dass das, was sie tun, wichtig ist und man hinter ihnen steht.

Ich rate meinen frisch gebackenen Führungskräften zur Bescheidenheit und dazu, aus dieser  Position und Haltung zu schauen, wie sie ihre Mitarbeiter entwickeln können. Darauf zu achten, dass es unterschiedliche Menschen gibt, die unterschiedlich geführt werden wollen. Ich kenne niemanden, der von einer arroganten Person geführt werden will!

Sind Sie schon einmal an Ihre Grenzen gestoßen und was haben Sie getan um sie zu überwinden?

Ich war als junger Manager eine Zeit lang gezwungen gegen meine eigenen Überzeugungen zu handeln und musste feststellen, dass ich kein so harter Hund bin, wie ich es bis dahin dachte und dass ich es auf Dauer nicht aushalten konnte. Ich wurde krank und habe daraus gelernt, in solchen Momenten für mich zu sorgen und diese Aufgaben abzulehen. Wenn ein Auftrag massiv gegen meine Werte verstößt, muss ihn jemand anderer ausführen.