„Die Qualität von Führung zeigt sich vor allem in schwierigen Zeiten“

Marcus Ebert

Langjähriges Mitglied im Vorstand der Schwäbischen Bank, Stuttgart. Seit der Verschmelzung mit M.M.Warburg & CO 2016 Sprecher der Geschäftsleitung der Schwäbischen Bank. Um der anspruchsvollen Zielgruppe der Privatbank – vermögende Privatkunden, Firmenkunden sowie institutionelle Anleger – optimal gerecht zu werden, legt er einen besonderen Fokus auf Mitarbeiterauswahl und -führung.

Was lieben Sie an ihrem Job?

Ich liebe den Erfolg! In meiner Rolle als Geschäftsführer der Schwäbischen Bank ist dabei vor allem entscheidend, die richtigen Mitarbeiter zu identifizieren und so zu entwickeln, dass wir gemeinsam erfolgreich sind. Im Dienstleistungssektor reicht es nicht, wenn Mitarbeiter handwerklich ihren Job perfekt ausfüllen, vielmehr ist ihre Haltung und Identifikation in der Ausführung spürbar und spielt für das Ergebnis eine große Rolle. Hier hilft mir, dass ich gerne Menschen kennenlerne und herausfinden will, wo sie ihre Stärken haben. Für die Motivation der Mitarbeiter ist das Umfeld wichtig, dass sie gerne mit ihren Kollegen arbeiten, ihre Stärken leben können und sich ernst genommen und wertgeschätzt fühlen. Dabei ist es für mich entscheidend, mich mit dem Ziel meiner Arbeit zu identifizieren und zu wissen, woran ich meinen Erfolg messen kann.

Was ist der beste Rat zum Thema Führung, den Sie je bekamen?

Ein Personalvorstand eines großen Konzerns gab mir einmal folgende Empfehlung: „Um Dich durchzusetzen, brauchst Du viele Freiräume. Wenn jemand Dir böse will, nimm ihn ernst und karre ihm eine Schubkarre voller Arbeit hin. Lobe ihn und gib ihm Arbeit, bis er die weiße Fahne zeigt“. In großen Unternehmen mag dies so möglich sein, in kleineren funktioniert das nicht. Ich habe die Erkenntnis daraus abgeleitet, mir ganz bewusst immer wieder Freiräume zu schaffen und nicht alles selbst zu machen oder selbst zu kontrollieren.

Während meines Studiums habe ich in einem Sheraton Hotel gearbeitet und dabei viele Bereiche kennengelernt. Beeindruckt hat mich, wie ein sehr einfacher, hart arbeitender Mitarbeiter der Verwertungsstelle vom Generaldirektor schwärmte. „So schlimm es auch oft ist, ich arbeite für gerne diesen Direktor. Das ist jemand, der erkennt mich an. Der weiß wie schwierig es ist, wenn sehr viele Getränkekisten kommen und ich in Stress gerate …“ Ich hatte die Chance, diesen Direktor zu beobachten. Er hatte extrem hohe Ansprüche, zugleich war er aber nicht autoritär, sondern hat jeden Mitarbeiter an seinem Platz wertgeschätzt. Das hat mich nachhaltig beeindruckt und ich habe seitdem konsequent versucht, dies in meinem Berufsleben umzusetzen, manchmal fiel es mir nicht leicht, da man nicht jeden gleichermaßen sympathisch findet.

Was macht für Sie gute Führung aus?

Ich achte darauf meine Mitarbeiter so zu führen, wie ich selbst geführt werden möchte: Ich bin dann richtig gut, wenn ich ernst genommen werde, Freiräume habe mit der Möglichkeit, innerhalb dieser Freiräume auch an meine Grenzen zu kommen, neue Ideen einbringen kann und einen konstruktiven Umgang mit Fehlern erlebe.

Die Qualität von Führung zeigt sich vor allem in schwierigen Zeiten. Ich habe während meiner Laufbahn einige Fusionen begleitet und aus ihnen gelernt. Führungskräfte tragen hier eine große Verantwortung. Die schwierigste Aufgabe für Führungskräfte ist, den betroffenen Mitarbeitern in Einzelgesprächen sagen zu müssen, dass man sich von ihnen trennen wird und aus welchem Grund. Und dann mit ihnen nicht mehr über die Vergangenheit, sondern nur noch über mögliche Lösungen und Perspektiven zu diskutieren. Vor kurzem mussten wir im Rahmen eines großen Kosten-Einspar-Programms zahlreiche Mitarbeiter entlassen. Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, alle Mitarbeiter meiner Standorte in neue Jobs bei anderen Unternehmen zu vermitteln. Das Ergebnis rechtfertigte den großen Aufwand, den wir dafür leisten mussten: Wir haben einen sehr hohen Betrag gespart, mit dem Betriebsrat Hand in Hand gearbeitet und sowohl die ausscheidenden als auch die verbleibenden Mitarbeiter haben gespürt, dass wir unsere Verantwortung für sie ernst nehmen.

Zu meiner großen Überraschung erlebe ich bei vielen jungen Mitarbeitern ein abnehmendes Interesse an Selbstverantwortung und Übernahme von Führungsverantwortung. Sehr gut ausgebildete junge Mitarbeiter mit vielen Praktika und exzellenten Noten sagen offen, dass sie klare Anweisungen wünschen und diese im Rahmen ihrer regulären Arbeitszeit erfüllen werden und keine Verantwortung tragen möchten. Ich bitte diese Mitarbeiter, ihre Aufgaben genau aufzuschreiben und mir mitzuteilen, wie sie gerne kontrolliert werden möchten. Bei einigen setzt dadurch ein Denkprozess ein und ich kann sie zu selbständigerem Arbeiten entwickeln. Andere erfinden so differenzierte Kontrollmechanismen, dass ich nur staunen kann. Da ohne das Gefühl von Selbstverantwortung die Arbeitsqualität meist deutlich geringer aus fällt, versuche ich trotzdem sie stärkenorientiert weiter zu entwickeln, häufig Feedback zu geben und nach und nach Verantwortung zu übertragen.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der überlegt Führungsverantwortung zu übernehmen?

Probiere dich aus und am besten dort, wo du dich selbst sofort kontrollieren kannst!

Gehe mit Freunden zum Essen und nimm dir vorher vor, z.B. über „die kleine Freihandelszone“ zu sprechen auch wenn sie sich wahrscheinlich nicht dafür interessieren. Versuche, andere von etwas zu begeistern und zu überzeugen. Freunde sind ehrlich und ihre Reaktion wird Dir zeigen, ob Du es kannst oder nicht.

Außerdem kannst Du Dich fragen, wie Dich andere wahrnehmen. Wirst Du z.B. bemerkt, wenn Du in einen Raum hineinkommst und man erinnert sich an Dich oder nicht?

Ein österreichischer Arbeitspsychologe meinte, Führungstauglichkeit könne man schnell testen in dem man im Büro seines Vorgesetzten nach der Begrüßung seinem Vorgesetzten einen Stuhl anbietet. Das habe ich natürlich auch ausprobiert und das geht!

Wenn Kollegen oder Kunden mit einem vermeintlich unsinnigen Anliegen kommen, frage nach. Frei nach Sokrates geht das so: „die Situation ist wie folgt … da Du etwas davon verstehst und ich es nicht ganz verstanden habe, erkläre es mir bitte“. Über kontinuierliches Fragen kann man dann das Gespräch steuern und irgendwann mit neuen Erkenntnissen wieder selbst gestalten. Es ist nicht wichtig, alles von Anfang an perfekt zu beherrschen, aber man sollte Lust haben es zu lernen. Und dann solltest Du als zukünftige Führungskraft Freude daran, haben Verantwortung für andere und ihr Arbeitsergebnis zu tragen.

Sind Sie schon einmal an Ihre Grenzen gestoßen und was haben Sie getan um sie zu überwinden

In meiner ersten Führungsposition war ich Leiter der Rekrutingabteilung für Fach- und Führungsnachwuchs. Mit 7 Mitarbeitern verarbeiteten wir im Jahr bis zu 8000 Bewerbungen – damals noch händisch! Ich hatte tolle neue Ideen und teilte meinen Mitarbeiten mit, dass wir ab morgen alles ganz innovativ und anders machen. Als meine Mitarbeiter dies nicht umsetzten, folgten klare Vorgaben, wie es ab sofort zu machen sei! Von meinen 7 Mitarbeitern waren am nächsten Tag 4 krank. Wir standen unter Termindruck und so saß ich tagelang bis spät abends und erledigte die Arbeit meiner Mitarbeiter. In vielen Gesprächen, Diskussionen und gemeinsamem Erarbeiten ist es mir dann gelungen, mein Team von meinen Ideen zu überzeugen. Daraus habe ich gelernt und das ist mir nie wieder passiert. Bei Veränderungen habe ich seitdem immer darauf geachtet, meine Mitarbeiter mitzunehmen und die klärenden Gespräche vorher zu führen und sie von meinen Ideen zu überzeugen.

Am häufigsten bin ich jedoch in meinen Positionen im mittleren Management an Grenzen gestoßen, wenn ich Entscheidungen der Unternehmensführung vertreten musste, die ich so nicht gefällt hätte. Ich habe dann meinen Führungskräften oder Mitarbeitern gesagt, dass es auch andere Alternativen gegeben hätte aber die Unternehmensführung – die die unternehmerische Verantwortung trägt – die Entscheidung so getroffen hat. Manchmal brauchten die Betroffenen erst einmal die Möglichkeit ihren Unmut darüber zu äußern. Wichtig war jedoch, gemeinsam schnell in einen konstruktiven Arbeitsmodus zu kommen, nur noch in Lösungsmöglichkeiten zu denken und an der erfolgreichen Umsetzung der vorgegebenen und selbst gesteckten Ziele zu arbeiten.

Grenzen gehören für mich zum Führungsalltag dazu. Sie sind für mich ein Ansporn, diese zu überwinden und daran zu wachsen. Sonst wird es ja auch langweilig.